7 Monate –
Abgerissen, abgehackt, gestohlen… #fuckcorona
Wie ihr der
Überschrift schon entnehmen könnt, wird das hier leider nicht der
übliche „Wow krass schon 7 Monate in Malawi und ich bin sooo
glücklich hier“ Blogeintrag, denn leider schreibe ich diesen
Eintrag nicht in meinem Haus in Ludz,i im Innenhof bei wunderschönem
Sonnenschein, sondern auf meinem Bett im kalten Kiel, in Deutschland.
Wie es dazu kam,
erfahrt ihr jetzt:
Noch vor 2 Wochen
war ich super glücklich in Malawi, ich hatte meinen Zwischenbericht
endlich fertig geschrieben (einen Monat zu spät..), plante auch mal
wieder einen neuen Blogeintrag, denn es war so viel passiert seit
Januar.. Term 2 neigte sich dem Ende zu und ich war stark damit
beschäftigt meine Schülerinnen auf die Examination vorzubereiten.
Fast jeden Tag trafen wir uns mit den neuen Studentteachern, die für
Term 2 und 3 nach Ludzi gekommen waren, um an der Schule ihr
praktisches Semester zu machen. Sie wurden schnell zu richtig guten
Freunden und beim gemeinsamen kochen, tanzen und singen hatten wir
sehr viel Spaß. Aber auch mit unseren alten Freunden und den
Boardingmädchen verbrachte wir richtig viel Zeit, sodass wir
wirklich jeden Tag super busy waren schon etwas im Freizeit und
Sozialkontaktstress.. :D
Wir hatten auch
unsere Reise für die Osterferien geplant, eigentlich mit meiner
Mutter und meiner Tante zusammen, aber da machte uns Corona schon den
ersten Strich durch die Rechnung, denn das Malawische Government
verhängte einen Einreisestopp für Reisende aus Deutschland und
mehreren anderen europäischen Ländern, da der berühmt berüchtigte
Corona Virus sich immer stärker und gefährlicher in diesen Ländern
ausbreitete.
Das war zwar erst
mal ziemlich blöd, aber wir entschieden uns dann schnell gemeinsam
mit einem anderen Freiwilligen zum Liwonde National Park zu fahren
und den Mount Mulanje zu besteigen, und freuten uns schon sehr auf
diese Reise.
Chorona breitete
sich immer weiter aus und wir hörten nur noch Horrornachrichten,
wenn wir mit unseren Familien aus Deutschland telefonierten: Schulen
wurden geschlossen, Geschäfte mussten schließen und in Italien gab
es mehrere Tote...
In Malawi jedoch war
von Corona noch nicht wirklich etwas zu spüren und so war dieser
Virus für uns ganz weit weg. Auch von unsere Organisation kam die
Bestätigung: „Momentan seid ihr in euren Einsatzländern viel
sicherer als in Deutschland.“ Ein eventueller Abbruch des
Einsatzes deswegen, lag für uns in weiter, nicht vorstellbarer
Ferne.
Doch dann am Montag
den 16. März 2020 kam die für uns komplett überraschende und alles
auf den Kopf stellende Nachricht.
Wir waren grade in
der Library zusammen mit unserem besten Freund, der Geburtstag hatte.
Es war eine super
schöne und ausgelassene Stimmung. Als ich nur kurz einmal auf mein
Handy schaute, sah ich dann die Nachricht meiner Organisation: „Ruf
uns bitte mal ganz schnell an!“ Mich beschlich schon direkt ein
mulmiges Gefühl, das kurz darauf auch bestätigt wurde. „Es tut
mir wirklich leid, ich mach es kurz und schmerzlos: Ihr müsst leider
zurück nach Deutschland. Höchste Anordnung vom deutschen Staat. Sie
machen die Grenzen dort langsam zu und falls Corona nach Malawi
kommt, könnt ihr nicht mehr raus. Alle weltwärts Freiwilligen
werden zurückgeholt.“ WUMS!
Da war der Satz, der
alle Pläne, alle Vorhaben und Versprechen zunichte machte, der uns
fast 5 Monate unseres Jahres einfach so wegnahm.
An diesem Tag weinte
ich nur noch und auch die Nacht schliefen Uta und ich nur 2 Stunden,
denn wir wussten nicht, wann wir zurück mussten. Es konnte morgen
sein, den Tag danach oder erst am Wochenende. Daher beschlossen wir,
die Zeit, die uns noch in Ludzi blieb, so gut es ging auszunutzen und
nicht mit schlafen zu verschwenden .
In dieser Nacht
telefonierten wir fast durchgehend mit unserem besten Freund und
buken 2 Kuchen überm Feuer, (denn, kleiner Funfact, seit fast 2
Monaten hatten wir nun schon keinen Strom mehr) für unsere Freunde,
die Geburtstag hatten, und versuchten unsere Verzweiflung mit Amarula
und unseren letzten Schokoladenvorräten zu verarbeiten:D
Meine Klasse 7a |
Meine Klasse 7b |
Ich unterrichtete
ein letztes mal in der 7a und der 7b und verabschiedete mich dann
unter Tränen von jedem Mädchen mit einer Umarmung. Auch viele der
Mädchen mussten weinen, was die ganze Sache nicht wirklich einfacher
für mich machte, und fragten warum ich denn gehen müsse und nicht
bei ihnen bleiben könne, sie würden mich einfach irgendwo
verstecken..:D… Sie gaben mir kleine Briefe und die Nummern ihrer
Eltern, damit ich sie aus Deutschland anrufen könne.
Nachmittags bekamen
wir dann die Nachricht, dass wir Samstag fliegen würden und uns
somit noch ein paar Tage Zeit zum endgültigen verabschieden blieben.
Das gab uns wenigstens noch etwas Zeit ein paar letzte Dinge zu
regeln und zu unternehmen.
Mittwoch hatten wir
nochmal die Möglichkeit, gemeinsam mit einem Freund nach Lilongwe zu
fahren, um Fotos auszudrucken und uns nochmal mit Chitenjen, den
bunten langen Stoffen, einzudecken. Auf dem Rückweg besuchten wir
noch die Familie unseres Freundes, was wir schon lange geplant hatten
und sonst leider nicht mehr dazu gekommen wären.
Jetzt war es zwar
ein recht kurzer, aber dafür umso schönerer Besuch und ich bin
wirklich sehr glücklich, das wir das noch machen konnten.
Die nächsten Tagen
verbrachten wir mit tausenden Besuchen bei verschiedenen Schneidern,
um noch die letzten Kleider nähen zulassen, mit den letzten Besuchen
von ganz vielen Freunden, ein letztes mal gemeinsam Nsima mit
Soyapieces essen, ein letztes mal Stockbrot ein letztes mal Mandazi,
ein letztes mal Chipisi.
Wir kauften Nsima
Sticks, Berge von Soyapieces und stampften Chiponde-Erdnussbutter-
für einige Freunde und die Schwestern, schrieben Karten und
bastelten Erinnerungskärtchen für die Mädchen.
In diesen 4 Tagen
haben wir vielleicht wenns hoch kommt 10 Stunden geschlafen und waren
am Ende einfach nur noch fertig, aber ich habe das Gefühl, dass wir
die Zeit, die uns blieb noch richtig ausgenutzt haben, auch, wenn wir
leider nicht all unsere Freunde nochmal treffen konnten um uns zu
verabschieden.
Die Boardingmädchen |
Am letzten Tag
frühstückten wir gemeinsam mit unserem besten Freund und
nachmittags bereiteten die Mädchen noch eine kleine Abschiedsfeier
in der Dyning hall für uns vor. Einige von ihnen perfomten
Abschiedssongs für uns und überreichten uns noch kleine Geschenke.
Es war wirklich
super süß und schön noch einmal mit allen Mädchen zusammen zu
sein.
Abends waren wir
dann noch ein letztes mal bei den Schwestern eingeladen und
verbrachten einen wirklich sehr schönen Abend mit viel Lachen und
Tanzen.
Auch sie waren
traurig, dass wir unseren Einsatz jetzt schon viel früher als
geplant beenden mussten und luden uns ein immer wieder zu kommen,
wenn wir Malawi besuchen.
Um ca. 23:00 Uhr
fingen wir dann langsam an unsere Koffer zu packen, eine Sache, die
wir die ganzen letzten Tage vor uns hergeschoben hatten, weil wir
einfach nicht war haben wollten, das wir wirklich, wirklich gehen
müssen. Ziemlich dumm, denn jetzt waren wir eigentlich viel zu
übermüdet, um irgendetwas zu machen, aber am Ende haben wir es doch
noch irgendwie geschafft, zwar mit ein paar emotionalen und wütenden
Zusammenbrüchen, aber es waren sogar noch zwei Stunden Schlaf drin.
Samstag morgen ging
es dann nach den letzten Verabschiedungen gemeinsam mit den
Schwestern nach Lilongwe zum Flughafen. Dort trafen wir dann auf die
anderen Maz- Freiwilligen, die uns direkt mit Mundschutze versorgten.
Und so verließen
wir dann einige Stunden später unser geliebtes Malawi - 5 Monate zu
früh.
Schon 15 Stunden
später betraten wir wieder Deutschen Boden.
Frankfurt am Main
Flughafen. Außentemperatur 1C°. Abstand halten, keine Berührungen,
Hände waschen, nicht ins Gesicht fassen, Menschenmassen meiden.
Corona oder besser gesagt Covid-19 ist Realität. Menschen mit
Masken. Weiße Menschen. Keine Begrüßungen. Keine Zeit.
Richtung Kiel mit
dem Auto.
Keine Kühe auf der
Straße oder Ziegen. Keine Guaven oder Süßkartoffelberge. Keine
Maisfelder. Keine grünen Bäume. Keine Menschen auf der Straße oder
Fahrräder mit allem möglichen beladen.
Stille.
Zurück in Kiel. Zuhause? Irgendwie nicht. So viele Autos, so riesige Häuser. Wohnen wir eigentlich in einem Schloss? In was für einer Welt habe ich eigentlich mein Leben lang gelebt? Meine Heimat scheint mir auf einmal ganz fremd. Und es ist so kalt. Ich will wieder zurück, habe Heimweh. Heimweh nach eine Ort der die letzten 7 Monate wirklich zu meinem Zuhause, meinem Heim geworden ist. Heimweh, nach so vielen tollen und lieben Menschen, die beim Lachen meine Hand nehmen und rein klatschen, die mich immer fragen, wohin ich gehe und wie es mir geht, die mit mir teilen, die mich immer bei sich aufnehmen, mir Chichewa beibringen und mich nach Hause begleiten. Heimweh nach Wärme, Heimweh nach Essen, das mit der Hand gegessen wird. Heimweh nach einem Lebensgefühl, das frei von Zeitdruck, Panik und Stress und voll von „im Moment leben“ und „sich treiben lassen“ war.
Versteht mich nicht
falsch.Es ist nicht alles scheiße in Deutschland und in Malawi super
perfekt.
Ich bin froh in
Deutschland geboren sein zu dürfen und ich mag meine Heimat. Ich
liebe den Strand, die Ostsee, die Wälder, den Schnee, Joghurt, Käse,
Schwarzbrot und Schokolade, meine Freunde und meine Familie.
Aber ich liebe auch
Malawi und jetzt grade würde ich alles dafür geben, wieder zurück
zu dürfen, auch wenn ich weiß, dass ich jetzt grade, so wie die
Situation in der Welt grade ist, dort nicht sein kann. Es ist
vernünftig hier zu sein. Es würde nichts bringen dort zu sein, denn
die Schulen sind jetzt sowieso alle geschlossen..
Aber ich wünsche
mir eben mein Malawi vor Corona wieder. Mein Leben in meiner kleinen
Blase in der Fantasiewelt, die Uta und ich uns gemeinsam aufgebaut
haben, denn unser Realität, war natürlich nicht die, von den
meisten Malawiern, die dort ihr Leben lang leben…
Wir hatten nie
Geldprobleme, mussten nie Angst haben, nicht genug zu essen zu haben.
Wir werden studieren können, ganz einfach, ohne Probleme. Wir hatten
das Privileg ein anderes Land, eine andere Kultur kennen lernen zu
dürfen. Privilegien, die wir einfach so haben, weil wir in
Deutschland geboren sind. Viele der Menschen, die ich in Malawi
kennengelernt habe, haben diese Privilegien nicht, müssen um Geld,
Studium und manchmal sogar Essen bangen. Für viele war Deutschland
in ihrer Vorstellung ein Paradies. Und auch obwohl es Armut und
Existenzangst auch in Deutschland gibt, stimmt es einfach, dass ein
ganz großer Teil hier eben in großem Luxus lebt und sich dessen
manchmal gar nicht so bewusst ist, (so wie mir zuvor auch) weil er
die Dinge, die er hat, als selbstverständlich ansieht.
Ich kann wirklich
glücklich sein in einem Land aufgewachsen zu sein, das mir so viele
Möglichkeiten bietet, um die andere mich beneiden und das weiß ich
jetzt auch wirklich zu schätzen.
In Malawi hätte ich
diese Möglichkeiten sicherlich nicht.
Und doch liebe ich
die Kultur der Menschen dort so sehr, die so viel herzlicher und
gemeinschaftlicher ist, als die unsere.
In der Teilen und
das Kümmern um die Familie ganz selbstverständlich dazugehört.
Ich habe wirklich
sehr viel gelernt in diesen 7 Monaten, von den Menschen, von ihrer
Art zu Leben und ihrer Sicht auf die Welt und Gott.
Und dem Klischee „Du
wirst deinen Horizont erweitern“ muss ich doch schon zustimmen.
Mein Horizont ist
erweitert, aber nicht so, wie es viele vielleicht denken würden.
Einige haben mir gesagt, bevor ich nach Malawi ging, „dort wirst du
sehen wie richtige Armut aussieht und für dich merken, was wirklich
wichtig ist im Leben!“
Das zeigt wieder
einmal, dass wir Afrikanische Länder so oft nur unter dem
Armutsaspekt sehen. Arme Schwarze Kinder, die alles dafür tun
würden, um zur Schule gehen zu können, Menschen die nicht genug zu
essen haben, Brunnen die gebaut werden müssen, alle Menschen leben
dort in„Lehmhütten“ mit Strohdächern und brauchen ganz dringend
Hilfe…
Das ist ja auch ganz
natürlich, denn die Informationen, die wir bekommen, sind meist von
Hilfsorganisationen, die mit dem Leid der Menschen Werbung machen
wollen, damit wir spenden.
Aber Afrika ist
erstens nicht gleich Afrika, denn Malawi und Ägypten kannst du
genauso wenig vergleichen, wie Italien und Schweden, und zweitens hat
Malawi auch noch so viele andere Facetten, als das „arme“ Land in
Afrika, auf das wir es oft reduzieren. Ja in Malawi gibt es Armut, da
will ich auch gar nicht schön reden. Aber die Armut hat für mich
nicht Malawi ausgemacht. Ich glaube, dass viele die Häuser meiner
Freunde als „arm“ bezeichnet hätten. Am Anfang, habe ich auch
noch teilweise so gedacht, aber mit der Zeit wurde es für mich ganz
selbstverständlich und die Menschen, die dort gelebt haben, mit mir
Essen und Zeit geteilt haben standen für mich im Vordergrund.
Vielleicht hatten sie keinen Stuhl oder Tisch, aber das war auch
nicht wichtig, denn ich habe mich wohl bei ihnen gefühlt. Ich war
dankbar, dass sie mich bei sich aufnehmen, mir ihre Kultur und ihre
Werte näherbringen und ich auch ein Teil dieser Kultur werden
durfte.
Ich durfte lernen
ganz über dem Feuer zu kochen und zu backen, fast nur noch mit den
Händen zu essen, vor jedem Essen zu beten, Essen mit Freunden zu
teilen, und noch so vieles mehr.
Ich habe Menschen
kennengelernt, die wirklich etwas verändern wollen und sich in
mehreren Organisationen und Jugendgruppen ehrenamtlich engagieren um
über Familienplanung oder HIV und Aids aufzuklären und die Jugend
zu unterstützen.
Menschen, die ein
bodenloses Gottvertrauen haben, das unerschütterlich scheint,
Kinder, die sich natürlich riesig über Schulfrei freuen und öfters
auch mal nicht so Bock haben auf Schule:D, Schwestern, die es lieben
zu tanzen und zu feiern und die eigentlich viel lieber Glitzerschuhe
tragen würden;). Menschen, die ohne ein Musikinstrument ganze Lieder
komponieren,
und Mädchen, die
heimlich Liebesgeschichten schreiben.
Ich bin wirklich
sehr dankbar, all diese Menschen kennengelernt haben zu dürfen, ich
bin dankbar für so viel neues, was ich gelernt habe, für so viel
Offenheit, für so viele schöne und unvergessliche Momente. Diese
Zeit wird für immer in meinem Herzen bleiben.
Ich danke auch Ihnen
und euch, dass Sie/ihr mich auf meinem Weg unterstützt und begleitet
habt. Ich hoffe, dass ich auch Ihnen/euch einen kleinen und
vielleicht neuen Einblick auf Malawi und mein Leben dort habe geben
können und Sie/ihr etwas aus meinen Beiträgen für euch mitnehmen
konntet.
Bleibt alle gesund
und bis hoffentlich ganz bald im realen Leben:D
Tionana!
Zum Schluss noch ein paar Bilder:
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